Am Abend des 23.12. brachte uns unser netter Fahrer Anil wohlbehalten nach McLeod Ganj, auch als Upper Dharamsala bekannt. Damit war die 15-tägige Fahrt mit ihm, die wir als sehr entspannt und angenehm empfunden haben, beendet.
So wachten wir an Heiligabend morgens am Wohnort des Dalai Lama, gleichzeitig Sitz der tibetischen Exilregierung auf, umgeben von hohen Bergen des Himalaya. Als wir letzte Woche unsere Weihnachtsgrüße ausgesendet haben, dachten wir eigentlich, dass die Feiertage hier völlig unspektakulär und unbemerkt an uns vorüber gehen würden. Doch schon beim ersten Rundgang durch die Sträßchen des Ortes entdeckten wir immer wieder Hinweise auf diverse Christmas-Partys. Einem dieser Aushänge gingen wir am Nachmittag nach und fanden ein kleines, mit Plastiktannenbäumchen und Luftschlangen dekoriertes Restaurant vor, in dem es am Abend Live-Musik geben sollte. Wir entschlossen uns einfach mal hinzugehen.
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Als wir ankamen, trafen wir Pip aus Australien wieder, mit der wir uns zuvor lange und nett in einem kleinen tibetischen Juice-shop bei leckerem frischen Orangensaft unterhalten hatten. Mit ihr und einem jungen indischen Polizisten, der uns erst mal stolz ein Foto von sich und dem Dalai Lama zeigte, verbrachten wir einen sehr lustigen, informativen und unkonventionellen Heiligabend mit Radler und Pommes.
Für den nächsten Morgen um 11 Uhr hatten uns Flyer angekündet, dass es ein Christmas-Event mit Gebet, Musik, Kuchen etc. in der alten britischen Kirche „St. John’s in the wilderness“ geben soll. Also beschlossen wir daran teilzuhaben. Die Kirche der protestantischen nordindischen Christen war bunt geschmückt. Doch bedingt durch Stromausfall wegen Regens, durch den wir u.a. am Morgen kein warmes Wasser hatten, brannten nur zwei Kerzen. Es herrschte ein großes Durcheinander und die Vorbereitungen waren noch in vollem Gange, so dass der Gottesdienst über eine Stunde später begann. Der arme Pastor musste ohne Mikro auskommen, doch die Musik und Lieder des kleinen Chors waren sehr schön und ließen etwas weihnachtliche Stimmung aufkommen. Gegen Ende war plötzlich Strom da, und die Kirche erstrahlte von tausend kleinen Lämpchen. Dann ging es ohne große Umbaupause in ein Live-Mitsing-Konzert mit Band über. Da wir nach fast 3 Stunden nicht mehr sitzen konnten, gingen wir irgendwann hinaus, wo inzwischen ein riesiger Trubel herrschte, eine zweite Band spielte, die mit indischen Rock-Klängen jegliche Weihnachtsstimmung vertrieb. Eine Familie hatte ihre kleine Tochter so verkleidet:

Nach diesem Durcheinander machten wir auf dem Rückweg zum Ort die Bekanntschaft mit Tashi, einem ca. 60-jährigen, ausgesprochen sympathischen Tibeter, der seit über 30 Jahren in den USA verheiratet ist, und für zwei Monate als Freiwilliger in einem Büro der tibetischen Regierung arbeitet. Mit ihm verbrachten wir den Rest des Tages und erfuhren viel über sein Leben: Als 6-Jähriger mit Mutter und einem von zwei Brüdern nach Indien geflüchtet, hatte er vor einigen Jahren seinen in Tibet zurück gebliebenen Bruder, der ihm völlig fremd war, in Lhasa wieder getroffen. Eines von tausenden tibetischen Schicksalen, und sehr berührend, es so hautnah aus erster Hand zu erfahren. Wir haben viele Stunden miteinander verbracht und waren uns am Ende einig, dass dies „a very special Christmas Day“ war.
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Der zweite Weihnachtstag führte uns morgens zum „Tibetian Institut of performance and arts“ (TIPA) gegenüber unseres homestays. Dort hatten wir zunächst eine sehr persönliche Führung durch das kleine, angegliederte Museum. Dann konnten wir bei den Außenproben einer Gruppe junger Tibeterinnen und Tibeter zuschauen, die traditionelle Gesänge und Tänze einstudierten. Das war so beeindruckend, dass wir uns nur sehr schwer wieder loseisen konnten. Öffentliche Vorführungen wird es erst im März 2017 wieder geben.
Wir hatten bei unserer Reiseplanung leider nicht bedacht, dass beinahe alle hier lebenden Tibeter sich in diesen Tagen nach Bodhgaya (dem Ort, wo Buddha erleuchtet wurde) begeben, weil der Dalai Lama dort Anfang Januar die traditionelle Kalachakra-Initiation geben wird, der tagelange Teachings vorweg gehen. Das heißt zum Einen, dass er selbst zur Zeit nicht hier vor Ort ist, und zum Anderen, dass zusätzlich zu den Winterferien überall noch viele tibetische Einrichtungen geschlossen sind. Sehr schade für uns.
Auch das wunderschön und ruhig gelegene Tushita-Meditationszentrum, das wir danach aufsuchten, befand sich in Winterpause. So konnten wir nur einen kleinen Rundgang durch die liebevoll gestaltete Anlage machen.
Nach einer etwa zweistündigen Wanderung mit schönen Ausblicken auf die Schneeberge erreichten wir das TCV (Tibetian Childrens Village), ein SOS Kinderdorf mit Schule. Auch hier Ferien und nach Bodhgaya aufbrechende Menschen. Trotzdem ein sehr beeindruckender Ort.
Ja, das waren unsere Weihnachtserlebnisse in einem doch eher buddhistisch geprägten Städtchen.