Nach dem herzlichen Abschied von der gesamten Familie erwartete uns ein langer und strapaziöser Fahrtag durch grandiose Landschaft wieder über unbefestigte Wege querfeldein.
Am frühen Abend erreichten wir schließlich unser Tagesziel, den Eingang zum Nationalpark der „Bartgeierschlucht“. Netterweise durften wir noch hinein fahren und konnten uns einen versteckten Platz für die Nacht suchen. Wild campen ist hier nicht verboten, und so zelteten wir mitten auf nach Kräutern duftendem Gelände umgeben von Berggipfeln.
Am nächsten Morgen fuhren wir nach dem Frühstück zum Eingang der Schlucht und wanderten zwei Stunden lang mit unserem Koch hindurch.
Es ging immer an einem kleinen Bach entlang, bis wir eine Stelle erreichten, wo noch ein letztes Stück Eis bis in den warmen Sommer überdauert hatte.
keine Maus, sondern ein mongolischer Pfeifhase |
Doch nicht nur dafür ist die Schlucht bekannt, sondern auch für die hoch oben in den Berghängen herum kletternden Steinböcke und die darüber kreisenden Bartgeier, die es lieben, die Steinböcke zu erschrecken und abstürzen lassen.
Weiter ging die sehr anstrengende Fahrt über teilweise katastrophale Schlaglochpisten, die unser wirklich gutes Auto erheblich strapazierten. Innerhalb einer einzigen Fahrstunde fiel die Klimaanlage aus, der Kühler platzte und wir hatten einen Platten. Unser Allroundtalent Batbileg hatte also außer Fahren genug zu tun, bis wir am Abend eine große, ca. 160 km lange Wanderdüne erreichten. Direkt unterhalb schlugen wir unser Lager auf. Die Düne liegt am Übergang zwischen Halbwüste und Wüste Gobi und markiert den südlichsten Punkt unserer Reise. Nach dem Frühstück am nächsten Morgen bestieg Rainer die Wanderdüne bis zur Mitte und wurde für seine Mühe mit einem herrlichen Weitblick belohnt.
Etappenziel des nächsten Tages war die Felsformation Uuscgiin Tsohio, zu deutsch Lungenfels. Die Fahrt führte uns ohne besondere Höhepunkte durch die karge, fast menschenleere Steppenlandschaft.
Gerade noch rechtzeitig vor Sonnenuntergang konnten wir unser Zelt auf einem halbwegs ebenen Stellplatz zwischen den Felsen aufschlagen. Unsere Übernachtungsplätze lagen bisher alle in wirklich wunderschöner Umgebung und es macht Spaß, sein Lager irgendwo in der Landschaft aufschlagen zu können, wo es einem gerade am besten gefällt. Das Land gehört niemandem, und so kann man nahezu überall campen.
Auf der Weiterfahrt in nördlicher Richtung wurde die Landschaft langsam wieder grüner, die Kamelherden seltener, stattdessen sahen wir große Pferdeherden. Die Region, durch die wir fuhren, ist bekannt für ihre Reitpferde. Sie haben zwar an Stellenwert verloren, weil die meisten Nomaden ihre Herden inzwischen nicht mehr mit dem Pferd treiben, sondern mit dem Motorrad. Trotzdem war viel Bewegung, weil allerorten die Vorbereitungen auf Nadaam liefen, neben dem Kamelfest im Winter das größte Fest in der Mongolei, bei dem Pferderennen wichtiger Bestandteil sind. Wir legten einen Stopp in der Bezirksstadt Arwaiheer ein, um unsere Vorräte aufzufüllen. Am frühen Abend schlugen wir unser Zelt zwischen Pferdeherden am Sangiin Dalai, einem traumhaft gelegenen See auf, unser bisher vielleicht schönster Übernachtungsplatz. Die Leithengste der Herden bekommen ihre Mähnen nicht geschnitten und sehen aus wie die Beatles in ihrer besten Zeit. Wir verbrachten die Zeit mit Vogel- und Pferdebeobachtung und entdeckten einige in der Mongolei sehr selten gewordene Murmeltiere. Ein besonders schöner Tagesausklang.
Der Sonnenaufgang am Morgen, als sich die Berge hinter dem See rot färbten, war nicht weniger schön. Die Weite, Stille und Einsamkeit machen dieses Land einzigartig.
Kurz nach unserem Aufbruch begegnete uns ein Kleinlaster mit Pferden auf der Ladefläche. Vorne saß ein Mann mit seinen beiden schon fürs Pferderennen zurecht gemachten Söhnen.
Spontan beschlossen wir, ihnen zu einem kleinen Nadaam in der Nähe zu folgen. So bekamen wir einen ersten Eindruck davon, wie dieses Volksfest in absolut ländlicher Umgebung begangen wird. Wir sahen zunächst ein Pferderennen, das von ab 10 Jahre alten Kindern und über eine Distanz von bis zu 31 km ausgetragen wird. Eine recht staubige Angelegenheit.
Auf dem Hauptplatz war eine bunte Menschenmenge mit vielen Pferden versammelt und es gab viele interessante Menschen zu beobachten.
Austausch des Schnupftabaks zur Begrüßung |
Von dort erreichten wir später einen wirklich touristischen Ort, die nach der Zerstörung im Rahmen der stalinistischen Säuberungen wieder aufgebaute buddhistische Klosteranlage von Erdene Zuu, erbaut auf den Ruinen der unter der mongolischen Herrschaft errichteten Hauptstadt Karakorum. Dort war erstmals richtig was los, denn aufgrund der Nadaam-Ferien waren viele einheimische Familien unterwegs. Die originalgetreu wiederaufgebauten Gebäude beherbergen heute eine große Anzahl von wertvollen, alten Thankas, die es auch in der tibetisch-buddhistischen Kultur gibt. Und teilweise konnten wir an diesem Ort erahnen, wie es in den großen tibetischen Klöstern vor deren Zerstörung ausgesehen haben mag.
Am Abend fanden wir einen Übernachtungsplatz an einem Fluss, eine willkommene Gelegenheit, sich mal in „fließendem Wasser“ zu waschen anstatt mittels Plastikflasche und Feuchttüchern. Danach erfuhren wir von Chuluun viel Wissenswertes über den mongolischen Buddhismus. Dieser ist im Land eigentlich kaum noch präsent, er wurde während der langen Zeit des Sozialismus systematisch unterdrückt. Davor hat es viele Parallelen mit dem tibetischen Buddhismus gegeben. Bis heute fühlen sich die beiden Völker aber immer noch sehr miteinander verbunden.
Insgesamt genießen wir die abwechslungsreiche mongolische stille, weite und großartige, nach wilden Kräutern duftende Landschaft in vollen Zügen. Doch das Reisen hier ist jeden Tag aufs Neue eine Herausforderung, da ziemlich anstrengend und beschwerlich. Nicht nur die schlechten Straßen, die man in Deutschland eher als Feldwege bezeichnen würde, sondern auch die allerorts fehlenden Toiletten machen es manchmal ganz schön kompliziert. Vor unseren Lebensmitteleinkäufen in den noch sehr russisch anmutenden kleinen Kreis- oder Bezirksstädtchen legen wir – wie Chuluun es nennt – kurze Stopps zum Blumen gießen oder Blumen düngen ein. Geeignete Stellen dafür zu finden ist aufgrund der spärlichen Vegetation auch nicht immer leicht. Aber allemal besser als die mit zwei Brettern überdeckten, stinkenden Löcher in einem mit Fliegen übersäten Verschlag, die man hier sonst als Toiletten bezeichnet.
Auch für Anke als Vegetarierin ist die Mongolei nicht gerade ein kulinarisches Paradies. Koch, Fahrer und Reiseleiter ernähren sich extrem fleischlastig., und frisches Obst und Gemüse ist in den Läden der kleinen Orte absolute Mangelware. Aber zum Glück gibt es häufig leckeren Joghurt, mit dem sich ein leckerer Dip zaubern lässt. Aber die eingelegten russischen Gurken, die sie massenhaft verzehrt, und Trockenfrüchte gleichen einiges aus.
Zudem ist auch die Konstellation, in der wir hier reisen, nicht immer ganz einfach und besonders für Anke eine echte Herausforderung. Ursprünglich hatte Chuluun eine seiner ehemaligen Schülerinnen als Köchin engagiert. Doch diese wurde wenige Tage vor Reisebeginn krank. So war er froh, einen Koch gefunden zu haben, der kurzfristig einspringen konnte. Dieser hatte noch nie eine Tour begleitet, auch sein Sozialverhalten ließ anfangs zu wünschen übrig. Aber das Essen, das er täglich auf einem einfachen Gaskocher zaubert, ist wirklich lecker. Anke hatte sich außerdem sehr auf die englisch sprechende Köchin gefreut und brauchte eine ganze Weile, sich damit abzufinden, nun vier Wochen mit vier Männern zu reisen, von denen zwei sich nur über Chuluun mit uns verständigen können. Wenn die drei sich auf mongolisch unterhalten, geschieht dies in einer Lautstärke, die manchmal für unsere Ohren recht grenzwertig ist. Im Auto war das so unerträglich, dass wir gleich am ersten Reisetag um ein wenig mehr Ruhe bitten mussten. Dadurch, dass Chuluun aufgrund überstandener schwerer Krankheit körperlich ziemlich eingeschränkt ist, was uns vor Reisebeginn so nicht klar war, haben wir manchmal das Gefühl, gar nicht unsere, sondern seine Reise zu machen. Aber sein großes Wissen zum Leben in der Mongolei und zur Geschichte des Landes sind sehr beeindruckend. Auch dass er für uns eine Reiseroute ausgewählt hat, die nicht entlang der üblichen Touristenstrecke geht, macht die Reise schon sehr speziell. Und die Fröhlichkeit, das Einfühlungsvermögen und die unendliche Hilfsbereitschaft unseres Fahrers Batbileg gleichen auch vieles wieder aus. Mit ihm kann man sich auch ohne gemeinsame Sprache prima verständigen, und es ist eine große Bereicherung, ihn mit dabei zu haben.
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