Es ist gar nicht so leicht, bei der Angebotsfülle an Sehenswürdigkeiten in der alten Königsstadt Mandalay eine passende Auswahl für ein Besichtungsprogramm zu treffen, zumal wir hier nur drei Tage eingeplant hatten. Als Schwerpunkte des ersten Tages wählten wir die Mahamudi-Pagode und Mandalay Hill. Die Mahamudi-Pagode beherbergt immerhin die meistverehrte Buddhastatue des Landes. Den ganzen Tag über bekleben Dutzende von gläubigen Pilgern (nur Männer, Frauen sind nicht zugelassen) die Statue mit hauchdünnen Goldblättchen. Weil an einigen Stellen die Goldschicht bereits 50 cm dick sein soll, verliert die Statue (mit Ausnahme des Gesichts, das nicht beklebt wird) im Laufe der Jahre immer mehr ihre ursprünglichen Konturen.

Nachmittags fuhren wir auf den „Hausberg“ Mandalays, der einen wunderbaren Panoramablick über die weitläufige Stadt mit ihren vielen goldenen Türmen und die umliegende Landschaft bietet. Auf der Bergkuppe thront die moderne Two Snake Pagoda (Wunscherfüllungspagode), deren Wände und Säulen mit Spiegelfliesen belegt sind, die im Licht der untergehenden Sonne für wunderschöne Effekte sorgen.

Für den zweiten Tag mieteten wir uns ein Taxi, um uns die vier weiteren Königsstädte Mingun, Sagaing, Inwa und Amarapura anzusehen Diese liegen im Umkreis von weniger als 30 km um Mandalay am Ayeryawaddi. Seit dem 18. Jahrhundert hatte es sich eingebürgert, dass ein neuer König sich zunächst eine neue Stadt errichtete, vielfach unter Verwendung des Baumaterials der Vorgängerstadt, was zu dieser Häufung von Königsstädten auf engem Raum führte. In Mingun sollte die weltgrößte Pagode entstehen, die jedoch nicht fertiggestellt wurde. Neben einem riesigen Ziegelhaufen ist von dem Bauwerk aber immerhin die ebenfalls bis heute weltgrößte intakte Glocke erhalten mit einem Durchmesser von 5m.
Völlig untypisch vollständig in weiß getüncht ist die Hsinbyume-Pagode, die sich damit originell und elegant von den vielen anderen Pagoden abhebt.
Während ich (Rainer) nach dem Besuch eine Rotkreuz- Station aufsuchen musste, um mir Pillen gegen das Fieber, das sich morgens eingestellt hatte, geben zu lassen, nutzte Anke die Zeit zum Besuch eines Altenheimes (sie ist noch nicht ganz entwöhnt).
Dieses 1915 gestiftete, landesweit bekannte „Buddhist Infirmary“ in dem laut Reiseführer Ausländer u.a. auch wegen ihrer Spendenfreudigkeit gerne gesehen sind, war ein Erlebnis der besonderen Art. Zunächst wurde ich (Anke) zum Männersaal (ca. 20 Betten und ebenso viele betagte Herren) durchgewunken. Einige lächelten freundlich, die meisten ignorierten mich. Entsprechend schnell fragte ich nach dem Frauentrakt. Hier herrschte eine völlig andere Atmosphäre: Der ebenso große Schlaf- und Wohnsaal war viel heller und bunt dekoriert. Fast alle Frauen winkten mich fröhlich herein und wollten fotografiert werden. Das machte sowohl mir als auch ihnen Spaß, denn natürlich wollten sie die Bilder anschließend auf dem Kamera-Display sehen. Hier wäre ich gerne noch viel länger geblieben, denn trotzdem wir uns nicht über Sprache – außer mein „Mingalabar“ zur Begrüßung, was auch hier gleich jeder ein Lächeln aufs Gesicht zauberte – verständigen konnten, war eine Minimalkommunikation möglich. Privatsphäre war im Vergleich zu unseren Altenheimen ein absolutes Fremdwort. Persönliche Dinge wurden auf, unter oder ums Bett herum gelagert. Aber es gab frische Blumen und bunte Bilder an den Wänden. Erhöhte Seniorenbetten werden hier, durch Unterlegen von Ziegelsteinen geschaffen. Und damit sich vom Boden aus keine Kriechtierchen in die Betten bewegen können, standen viele Bettfüße in kleinen Plastik-Wasserschälchen. Alles sehr einfach und bescheiden, doch die Damen strahlten allesamt Zufriedenheit und Unbekümmertheit aus.
Auch herrschen dort, wie man sieht, nicht so strenge Regeln was z.B. das Rauchen angeht. Diese Frau genoss es sichtlich, sich mit Zigarette vor dem Schlafraum in Pose zu setzen. Eine andere saß fröhlich rauchend auf ihrem Bett.
Alleine das kleine Sagaing weist mehr als 700 Tempel, Klöster und Stupas auf, deren goldene Türme sich herrlich über die Hügelketten des Ayeryawaddi- Tales ausbreiten. In der Umin Tounzeh-Pagode konnten wir diese 45 bogenförmig angeordneten Buddhastatuen auf uns einwirken lassen:
Nach dem Besuch von Innwa, dessen antike Sehenswürdigkeiten sich nur mit Boot und Pferdekutsche erschließen lassen, wurde die Zeit schnell knapp und wir erreichten gerade noch zum Sunset die U Bein Bridge in Anarapura, dem letzten Ziel dieses langen und ausgefüllten Tages. Die Brücke stellt als längste Teakholzbrücke (1,6 km) das nächste Superlativ dar und überspannt einen Seitenarm des Ayeryarwaddy. Bei den riesigen Menschenmassen, die sich hier auf und unter der Brücke zum Sonnenuntergang tummelten, hatte Beschaulichkeit keine Chance.
Da ich (Rainer) leider am nächsten Morgen noch immer vom Fieber geplagt wurde, blieb ich im Bett liegen und Anke machte sich nach dem Frühstück allein auf den Weg.
Um mich (Anke) in Mandalay mit seinen viel befahrenen, breiten Straßen am besten dort hin bewegen zu können, wo ich gerne hin wollte, fuhr ich mit unserem netten Taxifahrer vom Vortag los. Als Ziele hatte ich mir Orte ausgewählt, von denen ich mir erhoffte dort eine angenehm ruhige Atmosphäre vorzufinden. Dieser Wunsch erfüllte sich bereits beim ersten Stopp, dem Shwe In Bin-Kloster, ganz aus Teakholz von 1895, das noch in Betrieb ist. Ein wunderschöner Bau in einem stillen Umfeld mitten in dieser Großstadt.

Danach stieg ich am Ufer des Ayeryawaddy aus und ließ mich von einer Frau zu dem kleinen, sehr ursprünglichen Dorf Se Yaik, das idyllisch auf einer Landzunge im Fluss liegt, übersetzen. Zwei Stunden lang spazierte ich zwischen den einfachen Häuschen und Hütten herum, und wurde besonders von den Kindern fröhlich begrüßt. Ein riesiger Kontrast zum geschäftigen und sehr modernen Mandalay. Dazu immer die Unsicherheit, ob es sich um bittere Armut oder extrem einfaches Leben handelt, denn fast jedes Heim verfügte über ein Fernsehgerät und viele auch über ein Moped.
Schließlich wollte ich mir noch das „größte Buch der Welt“ (noch ein Superlativ) anschauen. Auf 729 Marmortafeln, die sich in ebensovielen kleinen Stupas befinden, ist die gesamte buddhistische Lehre niedergeschrieben. In der Mitte dieses Stupafeldes die Kuthodaw-Pagode, mehrere kleine Schreine, eine schöne Glocke und ein über 100 Jahre alter Baum.
Ich hatte das Glück mich über eine Stunde mit nur wenigen anderen Besuchern auf dem Gelände aufzuhalten. Dann tauchten plötzlich wie aus dem Nichts um die 50 Menschen beiderlei Geschlechts und aller Altersgruppen, mit hübschen Besen und Eimern auf und ließen auf dem Boden sitzend eine kurze feierliche Ansprache eines vornehm aussehenden Herrn über sich ergehen. Danach begann eine große Reinigungsaktion des gesamten Geländes. Wie mir eine freundliche Frau aus der Gruppe erklärte, handelte es sich um Freiwillige aus Yangoon, welche die Shwedagon Pagode jeden Samstag einer solchen Grundreinigung unterziehen. Einmal im Jahr sind sie in Mandalay und anderen Städten unterwegs. Der Herr, der die fröhliche Gruppe begrüßt hatte war der „Präsident“ der Pagode. Ein lustiges Erlebnis, das ich von einer Bank am Rande der Pagode beobachten konnte.
P.S. Demnächst weniger Pagoden, versprochen.